ETH-Studierende packen Abfallproblem an

Sucht man im Internet Bilder von den Seychellen, dann findet man viel Traumhaftes: weisse Str?nde, t¨¹rkisfarbenes Meer, graue verwitterte Granitfelsen, Palmen, Taucher umgeben von bunten Fischen. Nicht zu sehen ist: die ¨¹berf¨¹llte M¨¹lldeponie, vom Wind verwehte Plastiks?cke, der wild entsorgte Billig-K¨¹hlschrank aus China. Die Seychellen haben ein ungel?stes Abfallproblem und keiner spricht dar¨¹ber.

Ins Auge gestochen ist dieses Problem allerdings Pius Kr¨¹tli, dem Co-Direktor des Transdisziplinarit?tslabors (TdLab) der ETH Z¨¹rich, w?hrend seines Sabbaticals an der Universit?t Seychelles im Jahr 2015. Dies hat ihn auf die Idee gebracht, eine transdisziplin?re Fallstudie (s. Kasten)  ¨¹ber die M¨¹llproblematik auf den Seychellen durchzuf¨¹hren, eingebettet in den Minor in Transdisziplinarit?t f¨¹r Nachhaltige Entwicklung (TDforSD) f¨¹r Master-Studierende des Departements Umweltsystemwissenschaften sowie des Departements Bau, Umwelt und Geomatik. ?Mit der Idee habe ich nicht nur meine beiden Co-Direktoren-Kollegen des TdLab, Michael Stauffacher und Christian Pohl, ¨¹berzeugt sondern auch beim zust?ndigen Minister auf den Seychellen offene T¨¹ren eingerannt?, sagt Kr¨¹tli.

Die Fallstudie startete f¨¹r die ETH-Studierenden im Februar 2016. In der Zeit bis zu der dreiw?chigen Feldphase auf den Seychellen bereiteten sie sich auf ihre Aufgabe vor, erarbeiteten das n?tige Grundlagenwissen, leiteten die Fragestellungen ab, eigneten sich methodisches R¨¹stzeug an. Ende Juni 2016 reisten 18 Master-Studentinnen und -Studenten zu ihrem dreiw?chigen Einsatz auf den Seychellen. Dort trafen die Z¨¹rcher Studierenden auf Bachelor-Studierende der Universit?t Seychelles und arbeiteten in gemischten Gruppen an einer bestimmten Fragestellung zum Oberthema Abfall zusammen.

Gute Gr¨¹nde f¨¹r die Teilnahme

?Ich mag komplexe und realit?tsnahe Fragestellungen und deren Bearbeitung in interdisziplin?ren Teams?, sagt Till Schmid, Master-Student am Departement Bau, Umwelt, Geomatik. ?Auch das herausfordernde Wirkungsfeld zwischen den Wissenschaftlern mit verschiedenen Hintergr¨¹nden auf der einen und den involvierten Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf der anderen Seite hat mich sehr gereizt.?

?hnlich ?ussert sich auch Jasmin Fetzer, Studentin der Umweltnaturwissenschaften: ?Der Ansatz dieser Fallstudien ist der Schl¨¹ssel f¨¹r erfolgreiche Projekte?, sagt sie. ?F¨¹r mich war diese Fallstudie die ideale Erg?nzung zu meinem Studium, das sehr analytisch-chemisch gepr?gt ist.?

Harte Arbeit ausserhalb der Komfortzone

Die ETH-Studierenden waren beim Thema Abfall zuerst Laien und mussten sich erst ins Thema einarbeiten. Eine Woche lang sammelten sie Daten, f¨¹hrten gegen 200 Interviews, analysierten die rechtliche Lage und Zust?ndigkeiten, berechneten Stofffl¨¹sse, untersuchten die Auswirkungen der offenen Deponien auf die Umwelt.

Sie nahmen organische Abf?lle, PET, Glas und Metalle unter die Lupe und suchten L?sungen, wie das Recycling optimiert werden k?nnte. Auch erforschten sie, wie Konsumenten das Abfallproblem sehen und entwickelten Szenarien f¨¹r ein k¨¹nftiges Abfallmanagement. Am Schluss pr?sentierten die Studierenden ihre Resultate, unter anderem dem zust?ndigen Minister.

Eine Herausforderung: Die Studierenden mussten lernen, mit Einschr?nkungen bei der t?glichen Arbeit umzugehen, wie Michael Stauffacher sagt, der die Studierenden zusammen mit Kr¨¹tli anleitete und coachte. ?Die Seychellen waren keine Komfortzone.?

Das ist etwas, was Till Schmid best?tigt: ?Die Internet-Verbindungen waren ungewohnt langsam und erschwerten uns die Online-Recherche; der ?ffentliche Verkehr war unzuverl?ssig. Mit solchen Dingen mussten wir rasch lernen umzugehen.?

Tolles Resultat in kurzer Zeit erzielt

Mit dem Ausgang des Lehrprojekts sind sowohl die Coaches Kr¨¹tli und Stauffacher als auch die Studierenden h?chst zufrieden. An einem Thema zu arbeiten, das nicht in der Schublade endet, sei f¨¹r alle sehr befriedigend gewesen. ?Das Resultat der Fallstudie darf sich sehen lassen?, sagen Kr¨¹tli und Stauffacher unisono, ?und die Studierenden haben ein grosses Abenteuer erlebt - das sie mitunter auch an ihre  Grenzen gebracht hat!?

Karl Fleischmann, fr¨¹her ETH-Dozent und nun Lehrer und Forscher der Universit?t Seychelles, war massgeblich beteiligt am guten Gelingen der Feldphase. Er bilanziert die Veranstaltung sehr positiv: ?F¨¹r unsere Studierenden war dies eine sehr wichtige Lernerfahrung, und die ETH-Studierenden waren in vielerlei Hinsicht f¨¹r sie ein Vorbild. Aber auch die ETH Studierenden konnten vom Fallverst?ndnis unserer Studierenden profitieren, und der Zugang zu Anspruchsgruppen und hochrangigen Politikern war problemlos m?glich.?

Das empfand auch Jasmin Fetzer so: ?Zu den sch?nsten Erfahrungen z?hlen die Momente, in denen ich realisiert habe, dass wir wirklich viel Tolles zustande gebracht haben und etwas Gutes dabei herauskommen kann.?

Lehrreich sei f¨¹r sie auch die Zusammenarbeit mit den Kommilitonen von den Inseln: ?Es war unkompliziert, bereichernd, lehrreich, freundschaftlich, manchmal anstrengend und oft auch lustig.? Zu Beginn sei es aber auch schwierig gewesen, eine Kommunikations- und Arbeitsebene zu finden, auf der die Schweizer mit den Studierenden der Seychellen produktiv zusammen arbeiten konnten. ?Das lag daran, dass es anfangs unklare Vorstellungen der Art der Zusammenarbeit gab ¨C von beiden Seiten. Ausserdem musste erst Vertrauen aufgebaut werden, damit eine offene Kommunikation m?glich war?, erkl?rt die Umweltstudentin.

Neue Regierungsstelle f¨¹r Abfallwesen?

Als erste Reaktion auf die Fallstudie m?chten die Seychellen nun einen Direktor f¨¹r das Abfallwesen ernennen. Im Inselstaat fehlt eine zentrale Instanz, die f¨¹r das Abfallwesen verantwortlich ist. Daf¨¹r zust?ndig w?re der Staatssekret?r (Principal Secretary), doch dessen Portfolio ist sehr breit und Abfall nur eines von vielen Traktanden. ?Die Arbeit unserer Studierenden hat diesen Schritt ausgel?st?, sagt Kr¨¹tli, der sich sicher ist, dass die Inselregierung weitere Schritte unternehmen wird, sobald der Schlussbericht der Studierenden vorliegt.

Dass die Inselregierung die Arbeit der Studierenden ernst nimmt, davon ist auch Till Schmid ¨¹berzeugt: ?Schon alleine, dass wir sehr nahe mit der Regierung zusammengearbeitet haben, stimmt mich sehr positiv.?

Jasmin Fetzer betont zudem, dass sie positiv ¨¹berrascht gewesen war, wie ihre Arbeit auf den Seychellen aufgenommen wurde. Etwas skeptisch ist sie hingegen, ob sich das Abfallwesen in den kommenden Jahren wirklich ver?ndern wird. ?Diese Frage kann ich nur sehr schwer einsch?tzen, da es dazu viel politischen Willen und Mittel ben?tigt ¨C ich hoffe jedoch, dass wir dazu einen guten Anstoss liefern konnten.?

ETH-Gruppe will dran bleiben

Kr¨¹tli denkt bereits jetzt daran, eine weitere Fallstudie auf den Seychellen zum gleichen Thema zu machen: ?Abfall bleibt ein wichtiges Thema.? Er wolle den Schwung nun nutzen, um die Sache am Laufen zu halten; bis zur n?chsten Fallstudie 2018 sollen zus?tzliche Master-Arbeiten zur Abfallproblematik und auch zu andern f¨¹r die Seychellen relevanten Themen geschrieben werden.

Im 2017 wird er zudem mit drei Studierenden als Tutoren f¨¹r die Bachelor-Studierenden vor Ort sein und ein ?hnliches Thema aufgreifen, n?mlich wie der Abfall auf dem ÍþÁ®Ï£¶ûÌåÓýAPP_ÍþÁ®Ï£¶ûÖÐÎÄÍøÕ¾-ÏÂÔØÍøÖ· vermieden werden kann.