Das Erdmagnetfeld unter der «Simulations-Lupe»

Das Erdmagnetfeld wechselte im Laufe der Erdgeschichte hunderte Male seine Richtung. Was die Umkehrung verursacht, ist bis heute unklar. 4 Millionen CPU Stunden Simulationen auf Piz Daint am CSCS liefern neue Hinweise. Demnach k?nnten sogenannte Dynamo-Wellen eine Rolle spielen.

Vergr?sserte Ansicht: Erdmagnetfeld
Oberfl?chen des flüssigen Metallkerns umgeben von simulierten Feldlinien, die die Wanderung des Erdmagnetfeldes sichtbar machen. Die Kugel in der Mitte ist die Vergr?sserung der ersten Simulation ohne Feldlinien. (Grafik: J. Favre, A. Sheyko)

Im November 2013 schickte die European Space Agency (ESA) drei Satelliten ins All, die seither das Erdmagnetfeld pr?zise vermessen. Denn nach wie vor gibt das Erdmagnetfeld der Wissenschaft R?tsel auf. Bis heute ist beispielsweise nicht gekl?rt, welcher Mechanismus dazu führt, dass sich das Erdmagnetfeld umkehrt. Die ETH-Wissenschaftler Andrew Jackson und Andrey Sheyko sowie Chris Finlay von der Technischen Universit?t D?nemark konnten anhand von Simulationen auf dem Supercomputer Piz Daint nun einen m?glichen Mechanismus identifizieren. Die Ergebnisse wurden heute in der Fachzeitschrift ?Nature? publiziert.

Simulationen, seismische Messungen und der physikalischen Eigenschaften der Minerale – von letzteren weiss man, wie das tiefe Erdinnere aufgebaut ist – sind bislang die einzige M?glichkeit, das Erdinnere und die Entstehung des Erdmagnetfeldes zu erforschen. Das Erdmagnetfeld ist als Schutzschild gegen kosmische Strahlung oder als Navigationssystem etwa für V?gel für die Forschung von besonderem Interesse.

Schmelzenbewegung erzeugt Magnetfeld

Der sogenannte Geodynamo wird nach heutigem Wissensstand sehr wahrscheinlich durch Prozesse im inneren und ?usseren Erdkern erzeugt. W?hrend der innere Kern fest ist und haupts?chlich aus Eisen und Nickel besteht, ist der ?ussere Kern flüssig und enth?lt neben Eisen und Nickel auch noch leichtere Elemente. Die Flüssigkeit ist so heiss, dass die enthaltenen Metalle selbst nicht magnetisch sein k?nnen, sondern Strom und W?rme leiten. Indem im flüssigen ?usseren Kern schwerere Elemente zum inneren Kern hin absinken und dort erstarren, entsteht ein Auftrieb der leichteren Elemente.

Dieser Prozess und der Temperaturunterschied an den Grenzen des inneren und ?usseren Kerns sowie zum Erdmantel, sollen im flüssigen Kern Umw?lzungen (Konvektionswalzen) verursachen. Gleichzeitig wirkt durch die Erdrotation die Corioliskraft. Sie verursacht in der Metallschmelze senkrecht zu den Konvektionswalzen Wirbel, die parallel zur Rotationsache der Erde ausgerichtet sind. Dadurch wird ein Induktionsstrom erzeugt, der letztendlich das Magnetfeld eines Dipols (Nord- und Südpol) sowie schw?chere mehrpolige Komponenten entstehen l?sst.

Entscheidend für das Erdmagnetfeld und seine Umkehrung sind zwei Materialeigenschaften: Einerseits die Viskosit?t des flüssigen Erdkerns. Sie bestimmt, wie schnell Str?mungen im Erdkern zum Erliegen kommen k?nnen. Andererseits die elektrische Leitf?higkeit, die bestimmt, wie schnell das Magnetfeld erlischt. In bisherigen Simulationen fand beides gleich schnell statt.

?Wir haben in unsere Simulation das Magnetfeld zwanzig Mal schneller erl?schen lassen als die Str?mungen im flüssigen Kern?, sagt ETH-Professor Andrew Jackson Co-Autor der Studie. Die Wissenschaftler verkleinerten dadurch die dimensionslose Zahl, die das Verh?ltnis der beiden Materialeigenschaften zueinander beschreibt. Dadurch kamen sie n?her an erd?hnliche Bedingungen heran als bisherige Simulationen.

Dass Ziel der Simulation sei eigentlich gewesen, die Stabilit?t des Magnetfeldes zu untersuchen. Nach einer bestimmten Zeit habe sich dann aber periodisch immer wieder eine Feldumkehrung ereignet, berichtet Jackson.

Die beobachtete Feldumkehrung liesse sich nur durch den Einfluss sogenannter Dynamo-Wellen erkl?ren. ?Das ist die erste Simulation, bei der eine scheinbar durch Dynamo-Wellen verursachte Feldumkehrung unter non slip Randbedingungen gelang?, sagt Sheyko. ?Non slip? seien realit?tsnahe Randbedingungen, die eine der Reibung ausgesetzte Flüssigkeit erf?hrt, wenn sie an eine Grenze, in diesem Fall die Schale des ?usseren Kerns, ger?t.

Dynamo-Wellen sind starke globale St?rungen des sich vom Kern aus ausbreitenden Magnetfeldes. Ihre Existenz wurde 1955 postuliert, um die periodische Feldumkehrung in der Sonne zu erkl?ren, die alle elf Jahre stattfindet. Obwohl die Erde und ihr Magnetfeld sich deutlich von der Sonne unterscheiden, k?nnte laut den neusten Forschungsergebnissen Dynamo-Wellen auch bei der Feldumkehrung des Erdmagnetfeldes eine Rolle spielen.

Idealisierte Bedingungen

Diese hochkomplexen Vorg?nge dreidimensional zu simulieren, ben?tigt extrem leistungsstarke Supercomputer. Und selbst mit diesen k?nnen erd?hnliche Bedingungen nur ann?herungsweise berechnet werden. Als Grundlage ihrer Simulation und Ausgangsmodell nutzten das Forscherteam ein Modell, in dem Forscher 2009 eine niedrige Viskosit?t und neu eine konstante W?rmestr?mung an der Oberfl?che des Erdkerns annahmen.

Mit diesem war es erstmals gelungen ein ausreichend starkes und stabiles Magnetfeld bei erd?hnlichen Bedingungen zu simulieren. Dieses Modell erg?nzten die Forscher nun mit idealisierten Bedingungen, indem sie für die Simulation des erd?hnlichen Planeten beispielsweise annahmen, dass er kugelf?rmig ist. Zugleich rückten sie jedoch n?her an erd?hnliche Bedingungen heran, indem sie das Magnetfeld und die Str?mung im flüssigen Kern verschieden schnell zerfallen liessen. Auf diese Weise konnten die Forscher mit vier Millionen CPU Stunden auf Piz Daint eine Simulation eines planetaren Dynamos mit nie zuvor erreichter geringer Viskosit?t, hoher Rotationsgeschwindigkeit, Ausbreitung des Magnetfeldes und Dauer der Umpolung durchführen.

Bei der Simulation entwickelte sich ein starkes zweipoliges Magnetfeld, das sich innerhalb von ein paar Tausend Jahren periodisch umkehrte. Das Erdmagnetfeld kehrte sich in der Realit?t jedoch immer wieder unregelm?ssig mehrere hundert Male um, in den letzten Jahrmillionen im Mittel alle 500'000 Jahre. Da es sich weder periodisch umkehrt noch die gleichen Symmetrien wie das simulierte Magnetfeld besitzt, unterscheidet es sich deutlich vom simulierten Dipol-Feld. ?Die der Simulation zugrundeliegende Physik entspricht zwar derjenigen der Erde?, sagt Andrew Jackson. Aber da man noch Gr?ssenordnungen von den realen Bedingungen auf und in der Erde entfernt sei, liefert das Modell vorerst nur ein Hinweis darauf, dass Dynamowellen bei der Feldumkehrung des Erdmagnetfelds eine Rolle spielen k?nnten.

Simone Ulmer ist Redaktorin Wissenschaft und Technologie am externe Seite CSCS, wo dieser Artikel zuerst publiziert wurde.

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Der ?ussere Kern der Erde, umgeben von Magnetfeldlinien w?hrend der simulierten Umkehrung des Magnetfelds.

Literaturhinweis

Sheyko A, Finlay CC & Jackson, A: Magnetic reversals from planetary dynamo waves. Nature, advanced online publication 7 November 2016, DOI: externe Seite 10.1038/nature19842.

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