Durchfallerreger in Ketten legen

Impfungen haben sich im Kampf gegen Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren bew?hrt. Sie regen den K?rper zur Bildung von sch¨¹tzenden Antik?rpern (IgA) an. Auch gegen Darminfekte wurden Impfungen bereits eingesetzt.

Wie jedoch die Darm-Antik?rper, die sogenannten sekretorischen IgA, vor Infektionen sch¨¹tzen, war bislang unklar. Eine Gruppe von Forschenden unter der Leitung von ETH-Oberassistentin Emma Slack zeigt nun am Beispiel des Salmonellen-Durchfalls, dass sekretorisches IgA ganz anders wirkt, als die Wissenschaftler bisher vermutet haben.

Die Forscherinnen und Forscher zeigen in einer soeben in der Fachzeitschrift ?Nature? erschienenen Studie auf, dass impfungsinduzierte IgA-Antik?rper die Krankheitserreger im Darm quasi in Ketten legt: IgA heftet die Tochterbakterien nach der Vermehrung aneinander. Die verketteten Bakterien k?nnen sich zwar weiterhin vermehren, doch bleiben auch alle ihre Nachkommen in diesen Klumpen gefangen. Die Verklumpung in genetisch einheitlichen Familien verhindert die Ansteckung des Darmgewebes, beschleunigt das Ausscheiden des Erregers und unterbindet den Gen-Austausch zwischen Bakterien verschiedener Familien.

Agglutination nur im Reagenzglas

Die Klumpenbildung von Antik?rpern und Bakterien, die so genannte Agglutination, ist schon lange bekannt. Zu dieser kommt es aber nur, wenn Antik?rper und Bakterien in hohen Dichten vorliegen und dadurch h?ufig aufeinander treffen. ?Im Reagenzglas funktioniert das schulbuchm?ssig. Dort hat man gen¨¹gend hohe Konzentrationen von Antik?rpern und Bakterien, sodass diese h?ufig zusammenstossen?, sagt Slack.

Im Darm sind solche hohen Erregerdichten jedoch die Ausnahme. ?Es ist daher weniger wahrscheinlich, dass die IgA-beschichteten Bakterien kollidieren?, so die Forscherin. Trotzdem beobachtet die Forschung seit l?ngerem, dass sich im Darm solche Klumpen bilden - es musste also eine andere Erkl?rung f¨¹r die Verklumpung geben.

Bakterienwachstum steuert die Verklumpung

Klumpen verhindern Erkrankung

?Das Clevere an der Klumpenbildung ist, dass die Antik?rper die Bakterien nicht t?ten. Dies k?nnte im schlimmsten Fall zu einer heftigen Immunreaktion f¨¹hren. Sie verhindern lediglich, dass die Mikroben mit dem Wirt, untereinander oder mit nahen Verwandten wechselwirken?, sagt Wolf-Dietrich Hardt, Professor f¨¹r Mikrobiologie der ETH Z¨¹rich, der an der Arbeit massgeblich beteiligt war.

Die Bek?mpfung von Darminfektionen mittels Impfung hat deshalb mehrere Vorteile: Antik?rper-Bakterien-Klumpen k?nnen sich der Darmwand nicht n?hern. Das verhindert, dass sich die Darmschleimhaut entz¨¹ndet. Zudem wird der Darm die Klumpen schnell wieder los. Nach wenigen Tagen werden sie mit dem Kot ausgeschieden. ?Das System ist effizient. Es ist f¨¹r das Immunsystem einfacher, einen ganzen Klumpen loszuwerden als jede einzelne Bakterienzelle einzufangen und zu eliminieren?, sagt Slack.

Kein Tausch von Resistenzgenen

Die Darmimpfung k?nnte dabei helfen, die Antibiotika-Resistenzkrise zu meistern. Zum einen k?nnten Erkrankungen vermieden werden, welche den Einsatz von Antibiotika erfordern. Dadurch w¨¹rden sich automatisch die Entwicklung und Ausbreitung von Resistenzen gegen¨¹ber den Antibiotika verringern. Zum anderen unterbindet die Klumpenbildung den Austausch von Genen zwischen einzelnen gefangenen Bakterienpopulationen.

Bakterien tauschen oft Gene in Form von Plasmiden (ringf?rmige DNS-St¨¹cke) aus, die h?ufig die gef¨¹rchteten Antibiotika-Resistenzgene tragen. F¨¹r den Tausch von Plasmiden m¨¹ssen sich Bakterienzellen aber ber¨¹hren. Stecken sie in separaten Klumpen fest, gelingt ihnen dies nicht.

Nutztiere impfen

Ihre Experimente f¨¹hrten die Forschenden mit Impfstoffen aus abget?teten Salmonellen und E.coli-Bakterien durch. Laut den Wissenschaftlern k?nnte diese Strategie auch gegen weitere Erreger von Darmerkrankungen wie Shigellen oder Listerien verwendet werden.

Das gr?sste Anwendungsgebiet f¨¹r eine Salmonellen-Impfung k?nnten Nutztiere wie Schweine sein. In der Regel infizieren sich Menschen durch den Kontakt mit diesen Tieren und ihrem rohen Fleisch. Eine Impfung f¨¹r Menschen w?re ebenfalls realisierbar. Sie k?nnte Leuten zugutekommen, die in Katastrophen- oder Seuchengebieten Eins?tze leisten oder in Regionen reisen, in denen Darminfektionen h?ufig sind.

Grosskollaboration n?tig

Die vorliegende Studie ist das Resultat einer ¨¹ber sechs Jahre dauernden Zusammenarbeit von Forschenden aus mehreren ETH-ÍþÁ®Ï£¶ûÌåÓýAPP_ÍþÁ®Ï£¶ûÖÐÎÄÍøÕ¾-ÏÂÔØÍøÖ·n und -Einrichtungen wie ScopeM sowie weiterer universit?ren Einrichtungen, unter anderem der Universit?t Melbourne (AUS), dem Istituto di Ricerca in Biomedicina in Bellinzona und dem CNRS in Frankreich. F¨¹r die Entdeckung des Verkettungsmechanismus war die Zusammenarbeit mit Ingenieuren wie Douglas R. Brumley und Roman Stocker wichtig.

Emma Slack f¨¹hrt eine Gruppe am Institut f¨¹r Mikrobiologie der ETH Z¨¹rich. 2011 erhielt sie vom Schweizer Nationalfonds (SNF) ein Ambizione-Stipendium und nahm ihre Arbeit in Wolf-Dietrich Hardts Forschungsgruppe auf.