Präzisionstherapie mit Mikroblasen
Forschende der ETH Zürich haben untersucht, wie kleine Gasbl?schen unter Ultraschall Medikamente gezielt in Zellen transportieren k?nnen. Erstmals konnten sie sichtbar machen, wie winzige, sich wiederholende Flüssigkeitsstrahlen, die von den Bl?schen erzeugt werden, die Zellmembran durchdringen und so die Aufnahme von Medikamenten erm?glichen.
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In Kürze
- Forschende der ETH Zürich zeigen, wie mit Gas gefüllte Bl?schen unter Ultraschall Flüssigkeitsstrahlen erzeugen, die wie winzige Nadelstiche die Zellmembran durchdringen.
- Die Dynamik dieser Strahlen wird durch eine str?mungsmechanische Instabilit?t bestimmt, die sich mit unterschiedlichen Kombinationen von Ultraschallfrequenzen, Druck und Gr?sse der Mikroblasen pr?zise steuern l?sst.
- Die Erkl?rung des Mechanismus hinter der Medikamentenabgabe über Mikroblasen liefert wichtige Grundlagen, um Medikamente beispielsweise auch ins Gehirn zu transportieren.
Die gezielte Behandlung von Hirnerkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Hirntumoren ist herausfordernd, weil das Gehirn als besonders empfindliches Organ gut geschützt ist. Forschende arbeiten darum an Ans?tzen, wie sie Medikamente über den Blutkreislauf gezielt ins Gehirn transportieren k?nnen. Dabei soll die Blut-Hirn-Schranke überwunden werden, die normalerweise nur bestimmte N?hrstoffe und Sauerstoff durchl?sst.
Ein besonders vielversprechender Therapieansatz sind Mikroblasen, die auf Ultraschall reagieren. Diese Bl?schen sind kleiner als rote Blutzellen, gefüllt mit Gas und bestehen zu ihrer Stabilisierung aus einer speziellen Hülle aus Fettmolekülen. Sie werden zusammen mit dem Medikament in die Blutbahn injiziert und am Zielort durch Ultraschall aktiviert. Aufgrund der Bewegung der Mikroblasen entstehen in der Zellmembran der Blutgef?sswand winzige Poren, durch die das Medikament eindringen kann.
Wie genau die Mikroblasen diese Poren erzeugen, war bisher unklar. ETH-Forschende aus der Gruppe von Outi Supponen, Professorin am Institut für Fluiddynamik, konnten nun erstmals demonstrieren, wie dieser Mechanismus funktioniert. ?Es gelang uns zu zeigen, dass sich die Mikroblasen unter Ultraschall verformen, sodass winzige Flüssigkeitsstrahlen, sogenannte Mikrojets, entstehen. Diese durchdringen die Zellmembran?, erkl?rt Marco Cattaneo, Doktorand bei Supponen und Erstautor der Studie, die kürzlich in Nature Physics erschienen ist.
Die unsichtbare Kraft: Flüssigkeitsstrahlen mit 200 km/h
Bisher war nicht bekannt, wie die Poren in der Zellmembran entstehen, denn die Mikroblasen sind mikrometrisch klein und vibrieren unter Ultraschallbestrahlung bis zu mehreren Millionen Mal pro Sekunde. Dieser Prozess ist ?usserst schwierig zu beobachten und erfordert einen speziellen Aufbau im Labor. ?Die meisten bisherigen Studien, haben sich den Vorgang durch ein herk?mmliches Mikroskop von oben herab betrachtet. Damit sieht man aber nicht, was zwischen Mikroblase und Zelle passiert?, sagt Cattaneo. Deshalb haben die Forschenden ein Mikroskop mit 200-facher Vergr?sserung gebaut, mit dem sich der Prozess von der Seite beobachten l?sst, und haben es mit einer sehr schnellen Kamera gekoppelt, die bis zu zehn Millionen Bilder pro Sekunde macht.
Für ihr Experiment ahmten sie die Blutgef?sswand mit einem In-vitro-Modell nach: Sie liessen Gef?sswandzellen auf einer Kunststoffmembran wachsen. Diese legten sie mit den Zellen nach unten als Deckel auf eine Box mit durchsichtigen W?nden, die mit einer Kochsalzl?sung und einem Modellmedikament gefüllt war. Die gasgefüllte Mikroblase stieg automatisch auf und kam mit den Zellen in Kontakt. Die Mikroblase wurde dann durch einen Ultraschallimpuls von wenigen Mikrosekunden Dauer in Schwingung versetzt.
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?Bei genügend hohem Ultraschalldruck schwingen die Mikroblasen nicht mehr kugelf?rmig, sondern verformen sich zu regelm?ssigen, nicht kugelf?rmigen Mustern?, erkl?rt Supponen. Die ?Lappen? dieser Muster schwingen zyklisch, tauchen nach innen ein und ragen nach aussen. Die Forschenden fanden heraus, dass die nach innen gefalteten Lappen ab einem bestimmten Ultraschalldruck so tief einsinken k?nnen, dass sie starke Strahlen erzeugen, die die gesamte Blase durchqueren und auf die Zelle treffen.
Diese Mikrojets bewegen sich mit der unglaublichen Geschwindigkeit von 200 km/h und k?nnen die Zellmembran wie ein gezielter Nadelstich durchdringen, ohne die Zelle zu zerst?ren. Dieser Strahlmechanismus führt nicht zur Besch?digung der Blase, sodass sich bei jedem Ultraschallzyklus ein neuer Mikrojet bilden kann.
Physik in den Diensten der Medizin
?Ein faszinierender Aspekt ist, dass dieser Ausstossmechanismus bei niedrigen Ultraschalldrücken von etwa 100 kPa ausgel?st wird?, sagt Supponen. Das bedeutet, dass der Ultraschalldruck, der auf die Mikroblasen und damit auf den Patienten wirkt, vergleichbar ist mit dem atmosph?rischen Luftdruck, der uns st?ndig umgibt.
Die Forschenden in Supponens Gruppe haben nicht nur visuelle Beobachtungen gemacht, sondern diese auch mit verschiedenen theoretischen Modellen erkl?rt. Sie konnten zeigen, dass die Mikrojets im Vergleich zu den vielen anderen Mechanismen, die in der Vergangenheit vorgeschlagen wurden, das weitaus gr?sste Sch?digungspotenzial haben. Dies stützt die Beobachtung der Forschenden, dass die Zellmembran nur bei der Erzeugung eines Mikrojets zerst?rt wird. Cattaneo sagt: ?Mit unserem Laboraufbau haben wir nun einen besseren visuellen Zugang zu den Mikroblasen und k?nnen die Interaktion zwischen Zellen und Mikroblasen genauer charakterisieren.? So l?sst sich beispielsweise auch die Reaktion neuer Formulierungen von Mikroblasen auf Ultraschall, die von anderen Forschenden entwickelt wurden, mit diesem System untersuchen.
Supponen erg?nzt: ?Unsere Arbeit kl?rt die physikalischen Grundlagen der gezielten Medikamentenverabreichung durch Mikroblasen und hilft uns Kriterien für deren effektiven und sicheren Einsatz zu definieren.? Das bedeutet, dass die richtige Kombination von Frequenz, Druck und Gr?sse der Mikroblasen dazu beitragen kann, den Therapieerfolg zu maximieren und gleichzeitig die Sicherheit zu erh?hen sowie das Risiko für die Patienten zu minimieren. ?Ausserdem konnten wir zeigen, dass schon wenige Ultraschallimpulse ausreichen, um eine Zellmembran zu perforieren. Auch das kommt dem Patienten zugute?, sagt Supponen. Umgekehrt l?sst sich auch die Beschichtung der Mikroblasen für die ben?tigte Ultraschallfrequenz optimieren, was die Bildung von Mikrojets erleichtert.
Literaturhinweis
Cattaneo M, Guerriero G, Gazendra S, Krattiger L, Paganella L, Narciso M, Supponen O: Cyclic jetting enables microbubble-mediated drug delivery, Nature Physics, 21. Februar 2025, doi: externe Seite 10.1038/s41567-025-02785-0