«Prototyping» heisst einfach ausprobieren

Im vergangenen Herbst fand die erste Studienreise im Rahmen des Innovedum-Projektes ?Raus aus den vier W?nden? nach Stanford statt. Ziel der Studienreise war es, zu festgelegten Themenbereichen einmal ¨¹ber den Tellerrand zu schauen, die momentanen Vorgehensweisen an der ETH zu hinterfragen und sich zu neuen Projekten inspirieren zu lassen.

Auf der Reise dabei waren unter anderem Lino Guzzella, Rektor der ETH, Vertreter der Studierenden, des Mittelbaus, der Professorenschaft und des Personals, Mitarbeiter des Stabsbereichs Lehrentwicklung und -technologie (LET) und Drazenka Dragila-Salis, Direktorin ETH-Bauten. W?hrend der Reise konnte man ¨¹ber einen Blog live mitverfolgen, wie es in Stanford zu und herging. Die Ergebnisse der Reise, die es nun umzusetzen gilt, sind in einem Abschlussbericht festgehalten.

Aufgefallen ist mir beim Lesen des Blogs und des Berichtes eine Unbek¨¹mmertheit der Universit?t Stanford. W?hrend die ETH Z¨¹rich gut-schweizerisch immer rational, gut durchdacht und im Bereich des kalkulierbaren Risikos agiert, scheint Stanford eine Umgebung zu bieten, die Fehler zul?sst.

Hier f?llt vor allem das im Abschlussbericht erw?hnte ?Prototyping? auf: Anstatt ein Projekt von A bis Z durchzuplanen, Bed¨¹rfnisanalysen, Evaluationen und Vernehmlassungen zu machen und es zuletzt am ganzen ÍþÁ®Ï£¶ûÌåÓýAPP_ÍþÁ®Ï£¶ûÖÐÎÄÍøÕ¾-ÏÂÔØÍøÖ· umzusetzen, wird in Stanford das Ausprobieren grossgeschrieben ¨C mit der M?glichkeit, dass etwas schief geht, woran vorher niemand gedacht hat. Ein Projekt wird zeitnah mit beschr?nkter Reichweite umgesetzt ¨C mit allen m?glichen Schwachstellen. Fehlversuche werden bei diesem Verfahren hingenommen und dienen der Weiterentwicklung der Idee.

Um dieses Ausprobieren auch an der ETH zu erm?glichen, braucht es weder viel Geld noch eine grossartige Umstrukturierung des komplexen Systems: Einzig die Zur¨¹ckhaltung in Bezug auf neue Ideen m¨¹sste ein bisschen kleiner werden. Neue Projekte m¨¹ssten nicht auf m?gliche Gefahren gepr¨¹ft, sondern viel eher einfach einmal im kleinen Rahmen umgesetzt werden ¨C vielleicht sogar nur am Rande des Geschehens. Wenn diese Projekte dann Probleme bereiteten, k?nnte man sie schnell aufgeben und vielleicht in ver?nderter Form noch einmal ausprobieren.

Der Schaden hielte sich im Vergleich zu einer an der gesamten ETH durchgef¨¹hrten ?nderung in Grenzen. Wenn das Projekt Erfolg h?tte, w?re es simpel, die ?nderung auf die ganze ETH zu erweitern ¨C die Unterst¨¹tzung der ETH-Angeh?rigen ist durch die M?glichkeit des Ausprobierens bestimmt gr?sser als bei Projekten mit unbekanntem Ausgang. Wenn man dann das investierte Geld gegen die Zeit, die man sich f¨¹r Vergleichen und Diskutieren spart, aufwiegt, l?sst sich schliessen, dass ?Prototyping? wohl auch ?konomisch mithalten kann ¨C wenn nicht sogar zu aussagekr?ftigeren Ergebnissen f¨¹hrt.

Schwarz-Weiss malen kann man in dieser Angelegenheit an der ETH nicht: In vielen Bereichen, insbesondere in der Lehre, existiert das ?Prototyping? an der ETH schon jetzt. So werden oft Pilotprojekte in ganz verschiedenen Bereichen durchgef¨¹hrt, die auch in sinnvoller Frist evaluiert werden und bei Erfolg zu grossartigen Ver?nderungen f¨¹hren. Als momentane Beispiele sind da wohl unter vielen anderen die Abschaffung der Testate und die TORQUEs (Tiny, Open-with-Restrictions courses focused on QUality and Effectiveness) anzuf¨¹hren, die die ETH um viele Erfahrungen bereichern.

Aus meiner Sicht fehlt jedoch ein solches ?Prototyping? in der Entwicklung der Infrastruktur. Anstatt verschiedenste neue Sitzgelegenheiten einfach mal als einzelne Prototypen auszuprobieren und die Nutzer entscheiden zu lassen, evaluiert man anhand einer langen Kriterienliste, welche die besten sind. Anstatt einfach mal an Kopierern verschiedene Systeme zur Zahlung mit der Legi auszuprobieren, sucht man jahrelang Gr¨¹nde, wieso bezahlen in der Mensa mit der Legi unm?glich ist.

Oder das aktuellste Beispiel: Anstatt auf dem H?nggerberg eine gelbe Tafel mit der neuen Signaletik aufzustellen und auf Feedback zu warten, wurde das Projekt ¨C nach einer sehr langen Vorbereitungsphase ¨C gleich auf dem ganzen H?nggerbergcampus umgesetzt. Die Reaktionen reichen bekanntlich von ?die Tafeln sind h?sslich? bis zu ?die Strassennamen sind zu lang?. R¨¹ckg?ngig machen kann und will die ETH das Ganze nicht. Solche Reaktionen erschweren nat¨¹rlich zuk¨¹nftige Ver?nderungen, da sie mitunter Angst vor weiterem Misslingen ausl?sen.

Wenn die ETH der Universit?t Stanford in diesem Bereich nachziehen will, gilt es, genau diese Angst zu ¨¹berwinden und das Risiko, das jede Ver?nderung mit sich bringt, in einem kleineren Rahmen viel ?fter einzugehen. Die ETH k?nnte meiner Einsch?tzung nach ein unglaubliches Potential entfalten, wenn die Umsetzung von Ideen aller Angeh?riger st?rker gef?rdert w¨¹rde ¨C Innovation geschieht durch Ausprobieren, nicht durch Planung bis ins letzte Detail.

Auch der VSETH kann in diesem Bereich ¨¹brigens etwas lernen: W?hrend viele kleine Sachen sehr schnell einfach mal probiert werden, wenn die Motivation dazu vorhanden ist, scheitern grosse Projekte im VSETH oft am gleichen Perfektionswillen, der der ETH im Weg steht.

W?hrend die ETH, dank weniger stark fluktuierender Stellenbesetzung, nach jahrelangen Evaluationen zumindest zur Umsetzung von Projekten kommt, stirbt im VSETH mit dem R¨¹cktritt der treibenden Person oft auch die gesamte, vielleicht schon weit durchdachte Idee. Es w?re also auch im VSETH mal an der Zeit, ?fters zu handeln und weniger abzuw?gen ¨C dass ein Resultat nicht perfekt ist, sollte einen nicht st?ren, vielmehr bietet es eine Weiterentwicklungsm?glichkeit f¨¹r zuk¨¹nftige Generationen.