Bakterien können kollektives Gedächtnis entwickeln

Einzelne Bakterienzellen vergessen sehr schnell. Aber Bakteriengruppen k?nnen ein kollektives  Ged?chtnis bilden, das ihnen helfen kann, besser mit Stress umzugehen. Das weist eine in der Zeitschrift PNAS ver?ffentlichte Studie der Eawag und der ETH Zürich erstmals experimentell nach.

Vergr?sserte Ansicht: Caulobacter crescentus
Das ?Modellbakterium? Caulobacter crescentus, deren Ged?chtnis die Forschenden untersuchten. (Bild: Wikipedia)

Werden Bakterien durch erh?hte Salzkonzentrationen gestresst, überleben sie einen zweiten Salzschock besser als ohne diese ?Vorwarnung?. Doch dieses Training der Einzeller h?lt nicht lange an. Schon nach einer halben Stunde ist die ?berlebensrate nicht mehr von der Vorgeschichte abh?ngig.

Jetzt berichten die zwei Mikrobiologen Roland Mathis und Martin Ackermann vom Wasserforschungsinstitut Eawag und der ETH Zürich von einer neuen Entdeckung, die sie mit Caulobacter crescentus, einem im Salz- und Süsswasser verbreiteten Bakterium, unter dem Mikroskop gemacht haben.

Werden nicht die einzelnen Zellen, sondern eine ganze Bakteriengruppe beobachtet, scheinen diese Bakterien eine Art kollektives Ged?chtnis zu entwickeln. Die ?berlebensraten in Populationen, die in einer ersten Stressphase vorgewarnt wurden, sind bei erneuten Belastungen auch nach zwei Stunden h?her als in Vergleichspopulationen.

Komplexes Zusammenspiel

Als Ursache für dieses Ph?nomen haben die Forscher mit Hilfe eines Computermodels ein komplexes Zusammenspiel von zwei Faktoren identifiziert. Zum einen führt der Salzstress zu einer Synchronisation und Verlangsamung der Zellteilungszyklen. Zum anderen h?ngt die ?berlebenschance davon ab, in welchem Stadium der Zellteilung sich das einzelne Bakterium befindet, wenn die zweite Belastung eintrifft. Durch die Regulierung der Zellteilungszyklen ?ndert sich die Anf?lligkeit der Population über die Zeit. Vorgewarnte Populationen k?nnen zukünftige Belastungen besser überleben, k?nnen aber unter anderen Umst?nden sogar empfindlicher sein als ihre ungewarnten Artgenossen.

?Wenn wir dieses kollektiven Effekte verstehen, kann das helfen, Bakterienpopulation besser zu kontrollieren?, sagt Martin Ackermann. Bedeutung hat diese Schussfolgerung etwa für das Verst?ndnis, wie Krankheitserreger sich gegen Antibiotika wehren oder wie Bakterienkulturen in industriellen Prozessen oder Kl?ranlagen auch unter stark variierenden Bedingungen leistungsf?hig bleiben k?nnen. Denn Bakterien spielen in fast allen bio- und geochemischen Prozessen auf der Erde eine Schlüsselrolle. Je nach Vorgang sind sie aus Sicht der Menschen nützlich - zum Beispiel wenn sie Schadstoffe abbauen und N?hrstoffe in Energie umwandeln - oder sch?dlich, vor allem wenn sie für Krankheiten verantwortlich sind.

Für die Forscher ist noch eine weitere Erkenntnis wichtig: ?Wer das Verhalten und das Schicksal von Bakterienpopulationen verstehen will, muss manchmal jede einzelne Zelle analysieren?, sagt Mathis.

Dieser Text basiert auf einer externe Seite Medienmitteilung der Eawag.

Vergr?sserte Ansicht: Caulobacter
Versuchsanordnung mit den Bakterien Caulobacter crescentus in mikrofabrizierten Kammern. Jede Kammer besteht aus 8 Kan?len. In jedem Kanal w?chst eine Bakterienpopulation.
Vergr?sserte Ansicht: Caulobacter
Die Bakterien sind mit einem Haftorganell am Boden der Kammer befestigt. Wenn sich die Bakterien teilen, dann bleibt nur eine der bei der Teilung hervorgehenden Zellen im Kanal. Die andere wird ausgeschwemmt. Damit lassen sich Zellzyklus und ?berlebenswahrscheinlichkeit der Bakterien rekonstruieren. (Grafiken: Stefanie Stutz)

Literaturhinweis

Mathis R, Ackermann M: Response of single bacterial cells to stress gives rise to complex history dependence at the population level: PNAS, 7. M?rz 2016, doi: externe Seite 10.1073/pnas.1511509113

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