Und sie drehen ihn immer weiter
Seit 50 Jahren gibt es den farbigen Zauberwürfel. Sein Erfinder, Ern? Rubik, feierte dieses Jahr seinen 80. Geburtstag. Auf Einladung des ETH-Mathematikdepartements weilte er in Zürich und diskutierte mit Forschenden, Studierenden und Kindern über die Faszination des Rubik-Würfels.
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In Kürze
- Als Ern? Rubik vor 50 Jahren seinen Würfel erfand, dachte er nicht an ein Spielzeug, sondern an die L?sung eines geometrischen Problems.
- Doch der Zauberwürfel wurde mit rund 500 Millionen verkauften Exemplaren zum weltweit erfolgreichsten Denkspiel.
- Seine Faszination für Alt und Jung zeigte sich bei einem Besuch Rubiks an der ETH Zürich. Bis heute inspiriert der Würfel Forschende zur Weiterentwicklung ihrer Arbeit, zum Beispiel in der Gruppentheorie und Graphentheorie.
Weltweit wurden bisher rund 500 Millionen Rubik-Würfel verkauft. Damit ist er das erfolgreichste Denkspiel. Laut Sch?tzungen soll jeder siebte Mensch ihn schon einmal in der Hand gehalten haben. ?Dabei wollte ich gar kein Spielzeug kreieren?, erz?hlte Ern? Rubik bei einem Gespr?ch mit ?ETH-News? vergangene Woche in Zürich. An die ETH Zürich eingeladen hatte Rubik das Mathematikdepartement, da sich in diesem Jahr sein 80. Geburtstag mit dem 50-Jahr-Jubil?um seines Würfels kreuzt.
1974 befasste er sich im Alter von 30 Jahren als Architekturdozent in Budapest mit einem geometrischen Problem und wie es sich darstellen liesse – vielleicht als dreidimensionales, würfelf?rmiges Objekt, das sich um seine Achse drehen konnte, so seine Idee. Schliesslich habe er Antworten auf seine Fragen gefunden, schreibt Rubik in seiner Autobiografie: ?Oder besser, die Antworten fanden mich in einem 3x3x3-Gegenstand mit roten, weissen, orangen, grünen, blauen und gelben Seiten. Und das war’s.?
Als Rubik vor 50 Jahren ein paar Drehungen an seinem ersten, bunt bemalten Holzmodell ausführte, war er fasziniert davon, wie sich alles ver?nderte. Er musste aber schnell feststellen, dass es ihm nicht mehr auf Anhieb gelang, zum Ausgangspunkt zurückzukehren und die sechs Seiten des Würfels wieder einfarbig zu machen: ?Ich war in einem Escape-Room eingesperrt, den ich selbst entworfen hatte, und die Regeln standen nicht an der Wand. Wie dumm von mir!? Er brauchte einen ganzen Monat, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Sp?ter schaffte er es in einer Minute.
Der vor einem Jahr aufgestellte Weltrekord betr?gt unglaubliche 3,13 Sekunden und Speedcubing ist inzwischen eine beliebte Sportart geworden mit genau reglementierten Wettk?mpfen überall auf der Welt. Wie beliebt sie ist, zeigte sich auch an einer Tagung, die das ETH-Mathematikdepartement zu Ehren von Rubik organisierte, und der neben Professor:innen, Forschenden und Studierenden, auch Primarschüler:innen beiwohnten. Ein Junge fragte denn auch den Erfinder, wie ihm das vorkomme, wenn Spieler:innen seinen Würfel in drei Sekunden l?sen k?nnten. Als der Junge, gefragt von der Moderatorin, sagte, er l?se ihn in 13 Sekunden, erhielt er Szenenapplaus.
Patent für logisches Spielzeug
Egal, wie man den Würfel dreht und wendet, man hat immer nur eine begrenzte Sicht. ?Die Herausforderung besteht darin, dass Sie alle Seiten sehen müssen, um zu wissen, ob Sie die Aufgabe l?sen?, erkl?rt Rubik. Deshalb f?rdert der Würfel das r?umliche Vorstellungsverm?gen und diente Rubik als Lehrmittel in seinem Architekturunterricht. Als auch seine Freund:innen sich für seine Erfindung interessierten, wurde ihm klar, dass der Würfel mehr als ein Werkzeug war, um r?umliche Bewegungen zu veranschaulichen; darin steckte auch ein kommerzielles Potenzial. 1975 meldete er seine Erfindung als ?dreidimensionales, logisches Spielzeug? zum Patent an. 1977 wurde der Zauberwürfel erstmals in ungarischen Spielzeuggesch?ften verkauft. In der Folge übernahmen Firmen in Grossbritannien und den USA den internationalen Vertrieb.
Rubik bezeichnet sich selbst als ?Mann, der gerne spielt – als Homo ludens?. Schon als kleines Kind suchte er nach R?tseln und vertiefte sich stundenlang darin: ?Eine meiner Lieblingsbesch?ftigungen war, Strategien für neue und effizientere L?sungen zu entwickeln.? Dabei betont er, dass das L?sen von R?tseln nicht einfach nur Unterhaltung oder Zeitvertreib sei: ?R?tsel bringen wichtige Eigenschaften in jedem von uns zum Vorschein: Konzentration, Neugierde, Spielfreude, der Eifer, eine L?sung zu finden. Das sind die gleichen Eigenschaften, welche die Grundlage für alle menschliche Kreativit?t bilden.?
Trillionen von M?glichkeiten
Als anspruchsvolles Denkspiel eignet sich der Würfel zudem hervorragend zum Lernen von Algebra und Computeralgebra, führten Wissenschaftler an der bereits erw?hnten Tagung an der ETH aus. ?Als ich jung war und den Würfel zum ersten Mal in der Hand hielt, war ich sofort davon fasziniert?, erz?hlte Martin Kreuzer, Mathematikprofessor an der Universit?t Passau: ?In der Mathematik geht es nicht so sehr ums Lernen, sondern vielmehr um die F?higkeit, Probleme zu l?sen und der Würfel ist ein besonders hübsches Problem.?
Bei dessen L?sung kann die Gruppentheorie helfen. Betrachtet man den Würfel als mathematisches Modell, so erh?lt man eine Gruppe von Bewegungen, die sich auf die jeweiligen Zust?nde anwenden l?sst. Jede Folge von Drehungen des Würfels entspricht einem Element der Gruppe, und jeder Zustand des Würfels kann durch die Position und Orientierung der kleinen Würfelchen beschrieben werden. Mithilfe der Gruppentheorie l?sst sich berechnen, wie viele m?gliche Zust?nde es gibt: ?ber 43 Trillionen – eine riesige Zahl mit 20 Stellen.
Durch wiederholtes Anwenden einer bestimmten Abfolge von vier Drehungen, l?sst sich der Würfel wieder in den Anfangszustand zurückbringen. Diese Abfolge nennt man im Fachjargon Kommutator. ?Das L?sen des Würfels ist auf diese Weise zwar ziemlich langsam, es gibt aber auch einen Einblick in die Struktur der Gruppe?, erkl?rte Kreuzer.
Suche nach der Gotteszahl
Doch wie l?sst sich das Würfel-R?tsel m?glichst schnell l?sen? Oder anders gefragt: Wie viele Drehungen würde eine allwissende Macht h?chstens brauchen, um irgendeine Konfiguration des Würfels in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuführen? Die Suche nach dieser Gotteszahl dauerte jahrzehntelang. Erst 2010 gelang es einem Forschungsteam dank verbesserter Computerleistung und ausgeklügelter Algorithmen s?mtliche, über 43 Trillionen m?glichen Positionen des Würfels zu analysieren. Das Resultat: Die Gotteszahl ist erstaunlich klein, sie betr?gt 20.
Um einen Algorithmus zu finden, der den Rubik-Würfel mit der kleinstm?glichen Anzahl Drehungen l?st, kann man die m?glichen Konfigurationen des Würfels als riesiges Netzwerk darstellen, dessen Knoten miteinander verbunden sind, wenn sich zwei Konfigurationen durch eine Drehung ineinander überführen lassen. ?In den Computerwissenschaften nennen wir solche Netzwerke Graphen?, erkl?rte Václav Rozhoň, Informatiker im ETH-Departement Informatik sowie beim – zusammen mit ETH und EPFL gegründeten – bulgarischen KI-Institut INSAIT. Damit lassen sich auch Strassennetze oder Freundschaften in sozialen Netzwerken darstellen.
Sich in der Mitte treffen
Mithilfe der Graphentheorie gelang es Rozhoň und seinen Kollegen, einen Computeralgorithmus zu entwickeln, der eine beliebige Konfiguration des Rubik-Würfels in m?glichst wenigen Schritten wieder zum ursprünglichen Zustand zurückführt. Der Trick: Die Berechnungen starten gleichzeitig an zwei Orten, einerseits bei der beliebigen Position und andererseits beim Ursprung. Treffen sie sich schliesslich in der Mitte, ist die kürzeste L?sung erreicht. Das Verfahren heisst denn auch ?Meet-in-the-Middle.? ?Das Spannende am Rubik-Würfel ist, wie viele Konzepte man erforschen kann, wenn man nur versucht, ein wenig tiefere Einblicke in seine Funktionsweise zu gewinnen?, sagt Rozhoň.